Stellungnahme der Freien Wähler Fraktion zum Haushalt 2021
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Stellungnahme der Freien Wähler Fraktion zum Haushalt 2021

Sehr geehrter Herr Borho,

werte Damen und Herren des Gemeinderates,

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,


bei der letzten Haushaltsverabschiedung im Mai 2020 waren die Zahlen im Finanzhaushalt ähnlich defizitär wie jetzt im Jahr 2021.
Man hoffte damals noch auf einen schnellen Rückgang der Corona-Infektionen, auf eine rasche Erholung der Wirtschaft und eine baldige Rückkehr zur
Normalität. Leider trat die gegenteilige Entwicklung ein und die zweite und dritte Corona – Welle belastete das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft über viele
Monate hinaus. Letztlich können die gesamten Auswirkungen auf unsere Finanzsituation in diesem und in den nächsten Jahren nicht genau prognostiziert werden, auch weil
derzeit noch wichtige Kennzahlen offen sind, wie z.B. die genaue Höhe der Abschreibungen und die noch zur Verfügung stehenden Rücklagen.
Der Haushaltsentwurf 2021 weist im Ergebnishaushalt ein Defizit von 3,4 Mio € aus, das momentan noch über die vorhandenen Rücklagen
abgedeckt werden kann. Für die Jahre 2022 bis 2024 sind ebenfalls Defizite ausgewiesen, die zwar in der Tendenz rückläufig, aber für eine nachhaltige Haushaltsführung nicht
tragfähig sind. Die Mindestrücklage von 620 000,– € kann 2024 gerade noch aufrechterhalten und Kassenkredite vermieden werden.
Vor dieser Situation ist ein Sanierungskonzept mit einem strikten Sparkurs unvermeidlich, zumal auch die Genehmigung durch das Landratsamt nicht
mehr als gesichert angesehen werden kann. Bürgermeister Borho und die Verwaltung haben in diesem Jahr mit einer globalen Minderausgabe von knapp 350 000,– € ein positives Zeichen
gesetzt. Die Einsparungen betreffen verschiedene Positionen wie z.B. Steuerung, Marketing, EDV-Ausstattung, oder auch Sach- und Dienstleistungen. Dafür Dank und Anerkennung von unserer Fraktion, weil man auch innerhalb der Verwaltung versucht hat, mit gutem Beispiel voranzugehen. Um der Haushaltskonsolidierung mehr Gewicht zu verleihen , war es unumgänglich, auch die Investitionen auf den Prüfstand zu stellen. Von allen Fraktionen wurden Sparvorschläge eingebracht und neue Konzepte diskutiert. Einige sollen dann im Laufe des Jahres auch umgesetzt werden. Beispielhaft möchte ich den Katastrophenschutz, die Anschaffung von Notstromaggregaten oder eine Containerlösung als Umbauvariante im Bauhof erwähnen.
Auch bei den größeren Vorhaben musste der Rotstift angesetzt werden: Projekte, die bis 2024 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht umgesetzt werden können, wurden aus der mittelfristigen Finanzplanung herausgenommen und auf spätere Haushaltsjahre verschoben.


Dazu zählen im Wesentlichen 3 Maßnahmen:

  1. die Anbindung des Gewerbegebietes Klosteracker an Münzesheim Ost,
  2. die Brücke über den Bahnübergang an der Josef-Heid-Straße und
  3. der Umbau des Postgebäudes Rathausstr. 24.
    Unsere Fraktion trägt dieses Vorgehen in allen drei Punkten mit.
    Allerdings war uns ein Planungsansatz von 50 000,– € für die Anbindung des
    Gewerbegebietes Klosteracker sehr wichtig, damit dieses Zukunftsprojekt nicht
    von der Agenda genommen wird.
    Der neue Bahnübergang in Unteröwisheim wird wegen umfangreicher
    Planungs- und Genehmigungsverfahren ebenfalls noch einige Jahre dauern, so
    dass dafür bis 2024 voraussichtlich keine wesentlichen Gelder aufgewendet
    werden müssen.
    Ein Umbau des Postgebäudes kann auch über 2024 hinaus verschoben werden,
    da noch längerfristige Mietverträge mit den derzeitigen Mietern bestehen.

Selbstverständlich kann nicht nur die Ausgabenseite auf den Prüfstand gestellt werden, wir müssen uns auch Gedanken machen, wie die Einnahmen
verbessert werden können. 78 % der Haushaltseinnahmen kommen über FAG Zuweisungen, den Gemeindeanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer, Zuschüssen und
Fördergeldern. Nur rd. 16 % der Einnahmen werden über eigene Steuern und Gebühren generiert. Die Freie Wähler Fraktion sieht große Chancen, durch Wohnungs- und
Gewerbegebietsentwicklung deutlich höhere Einnahmen für die Stadt zu erzielen. Die Einwohnerzahl kann durch die Ausweisung neuer Baugebiete und natürlich
auch mit der Aktivierung von Wohnraum in den alten Ortskernen merklich erhöht werden. Damit steigen nicht nur die Steuerzuweisungen und die Kopfpauschale , auch
die Auslastung von Kindergärten, Schulen und Infrastruktur wird verbessert. Der Nachfrage nach Wohnraum nimmt weiterhin zu, die Attraktivität und
Anziehungskraft unserer Stadt als Wohngemeinde ist nach wie vor hoch. Mit neuen Baugebieten in Menzingen und Neuenbürg ist ein Anfang gemacht,
weitere müssen folgen. Die wenigen freien Gewerbeplätze zeigen ebenfalls den dringenden Handlungsbedarf. Viele Firmen wollen erweitern, auch von außerhalb fragen ansiedlungswillige
Betriebe immer wieder nach freien Flächen. Jede Gewerbeansiedlung schafft neue Arbeitsplätze, bringt Bautätigkeit, Wirtschaftskraft und damit letztendlich Gewerbesteuereinnahmen.
Verlagern Betriebe ihren Standort, ziehen oft auch Beschäftige und Arbeitnehmer an den Arbeitsplatz. Durch Flächenerschließung und Vermarktung kann die Stadt zusätzliche
Einnahmen erzielen. So sind z.B. für den Verkauf von Gewerbeflächen im Haushaltsjahr 2021 Nettoerlöse von 1,5 Mio € geplant.
Um dieses Potential zu nutzen brauchen wir allerdings auch eine vernünftige Verkehrsanbindung an das überregionale Straßennetz. Dr. Gericke vom Büro Modus Consult stellte vor wenigen Wochen eine neue Machbarkeitsstudie zur Umfahrung von Oberacker vor. Mit einer solchen Entlastungsstraße und der Anbindung des Gebietes Klosteracker/Gochsheim sehen wir große Möglichkeiten Kraichtal
wirtschaftlich voranzubringen. Deshalb sollten sie sich, Herr Borho, beim Landkreis mit allem Nachdruck für eine solche Lösung einsetzen !


Trotz der erzielten Einsparungen wird in der mittelfristigen Finanzplanung ein ausgeglichener Haushalt immer noch deutlich verfehlt. Notwendig sind deshalb in Kraichtal auch strukturelle Veränderungen, Nutzung von Synergien, stadtteilübergreifende Zusammenarbeit bei den Vereinen und Feuerwehr, auch der Verkauf von Immobilien darf kein Tabuthema sein. Wir werden uns nicht mehr alles leisten können, was uns bisher lieb und vor allem teuer war. Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat müssen dabei aber den Dialog bzw. die Diskussion mit den Bürgern suchen. Diese müssen bei den Entscheidungen beteiligt, Bedenken und Anregungen berücksichtigt werden. In den vergangenen Jahren wurden in den Haushaltsreden von allen Fraktionen regelmäßig Wunschlisten vorgetragen wie z.B. mehr Geld für den Tourismus, für Kultur oder Stadtmarketing, Museen oder Radwege. Ich nehme hier ausdrücklich unsere Fraktion nicht aus. Diese Wünsche wird man der Realität anpassen müssen. Das neue Haushaltsrecht zeigt letztendlich auf, was wir uns noch leisten können oder dürfen.

Noch einige Anmerkungen zu den Eigenbetrieben:
Regelmäßige Investitionen im Bereich Wasser und Abwasser sind unbedingt notwendig, um die Versorgungssicherheit der Bürger zu gewährleisten. Sie sind immer langfristig zu sehen. Bei der Wasserversorgung investieren wir in diesem Jahr rd. 3,7 Mio €, neue Kredite werden in Höhe von 2,1 Mio. € aufgenommen. Beim Abwasser werden 4,1 Mio €, in erster Linie für Kanalsanierungen und
Erschließungsmaßnahmen investiert. Auch hier sind neue Kredite in Höhe von 2,5 Mio. € notwendig. Die Investitionen müssen zwangsläufig über höhere Gebühren refinanziert werden. Gebührenerhöhungen sind natürlich immer unpopulär, aber bei den meisten Bürgern ist das Problembewusstsein dafür vorhanden. Gesundes Wasser ist eine elementare Lebensgrundlage und hat absolute Priorität !


Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Winston Churchill, das auch sehr gut zu unserer Haushaltslage passt: „Ein Optimist sieht eine Gelegenheit in jeder Schwierigkeit, ein Pessimist sieht eine Schwierigkeit in jeder Gelegenheit“ Lassen sie uns deshalb die nächsten Jahre mit Optimismus angehen ! Ich bedanke mich bei Bürgermeister Borho, der Verwaltung und den anderen Fraktionen für die gute und sachliche Zusammenarbeit im vergangenen Jahr.


Die Freien Wähler stimmen dem vorgelegten Haushaltsentwurf 2021 einstimmig zu.